Kelkheimer
Autoren*) laden ein zu
literarischen
Begegnungen auf dem Ost-West-Sofa
Die
sechste Lesung mit dem Thema
"Ostgeschichten"
Bericht des Höchster Kreisblatts
vom 27.3.2003

Ost-West-Sofa" findet immer
mehr Freunde
Von Jürgen Dehl
Kelkheim. Die Literaturreihe
"Ost-West Sofa" – eine "Erfindung der Kelkheimer Kleinverlegerin und Schriftstellerin
Regina Berlinghof – etabliert sich. Nun war die Schriftstellerin Elisabeth
Graul aus den neuen Bundesländern Gast im sehr gut besuchten Kulturbahnhof.
Von ihrem Selbstverständnis
gesehen, ist Elisabeth Graul Lyrikerin. Somit platzt ihre Autobiografie
"Die Farce" aus ihrem sonstigen Schaffen heraus. Das ist gut so; denn es
gibt Geschichten, die einfach erzählt werden müssen, weil sie
von einem Teil deutscher Geschichte berichten.
Die 1928 geborene Erzählerin
studierte Musik. Als sich die DDR zunehmend etablierte, war sie bald eine
der Aufbegehrenden. Mit anderen stritt sie gegen den Totalitarismus des
Regimes. Doch Elisabeth Graul ging bald immer mehr auf Distanz zu ihrer
Gruppe, die ihr zu sehr gesteuert und auf alten Schienen zu fahren schien.
Als sie eine Italienreise vorbereitete, wurde die Musiker-Schriftstellerin
verhaftet.
In einem dreitägigen
Schauprozess vor der Richterin Hilde Benjamin – genannt die "rote Hilde"
– wurde Elisabeth Graul zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das war 1951. Doch
"schon" 1962 wurde sie vorzeitig aus der Haft entlassen.
Bei der Puppenspielerbühne
Magdeburg fand die Schriftstellerin als Texterin und Spielerin Unter- und
Auskommen. Nach der Wende konnte Elisabeth Graul als Dozentin für
Klavier arbeiten. Heute ist sie im schreibenden Ruhestand. Wie sie aus
ihren Akten erfuhr, war sie auch nach der Haft im Visier der DDR-Überwacher.
Bei der Akteneinsicht bedauerte
ein Staatsanwalt die Schriftstellerin: "Man hat Ihnen Ihr Leben gestohlen."
Elisabeth Graul sieht das anders. Die Brutalität der "Wachteln" (Aufseherinnen)
und die Verfolgung habe Selbstbehauptung und Stärke gefördert.
"Ost-West Sofa" bedeutet,
dass auch hiesige Schreiber aus ihren Texten lesen. Der Kelkheimer Paul
Pfeffer, 20 Jahre jünger als Elisabeth Graul, hat eine sehr typische
Wessi-Sozialisation durchlebt. Seine Großmutter klagte: "Wir haben
den Osten verloren." Verwandtschaft gab es dort keine. Dem Studenten der
Politik und der Germanistik schien dieser Teil Deutschlands erst schwarz,
dann nur noch grau und langweilig. Ihm wurde allmählich klar: "Null
Bock auf Ost."
Gespräche sind bei den
Begegnungen erwünscht. Hier ergaben sie sich von selbst und so dauerte
die Veranstaltung fast drei Stunden.
© Rhein-Main.Net, Online-Dienst
der Frankfurter Neue Presse und des Journal Frankfurt


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