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Dienstag,
17.06.2008
Symbol-Sprache gegen
Unterdrückung
Von
Olivera Gligoric-Fürer
Friedrichsdorf.
... „Wenn nur ein Traum das Dasein ist, warum denn Müh und
Plag? Ich trinke, bis ich nicht mehr kann, den ganzen lieben Tag!“ –
eine Strophe aus Li Bais Gedicht „Das Lied von der Erde“,
übersetzt von Hans Bethge. In einer Lesung über die
klassische chinesische Lyrik hat Autorin und Verlegerin Regina
Berlinghof unter anderem Gedichte des bedeutenden Dichters Li Bai (auch
Li Tai Po), vorgetragen. Eingeladen zu diesem Vortrag hatte der
Interkulturelle Gesprächskreis „Contact“ ins Friedrichsdorfer
Teppichhaus Farzian.
Li Bai, Vertreter der Tang-Zeit (etwa 7.* Jahrhundert), dichtete
allerdings nicht nur humorvolle Verse, sondern auch schwermütige
Zeilen wie im „Trinklied vom Jammer der Erde“. Ferner soll er für
seinen Wein-Genuss bekannt gewesen sein. So dass sein Tod mit einer
Legende verbunden wurde: Betrunken sei er in einen See gefallen und
zwei Delfine hätten den Ertrunkenen gen Himmel getragen.
Die Autorin aus Kelkheim erzählte zudem von den Ursprüngen
chinesischer Lyrik, nämlich der Volksdichtung und auch von den
meditativ-philosophischen Einflüssen. Und sie erklärte, dass
beispielsweise das Wort „Pan“ als „Trommelklang“ übersetzt werden
könne, es aber auch „einsam umherwandern“ bedeuten könne. Und
je nachdem, wie „Pan“ übersetzt werde, könne dieses einzelne
Wort die folgende Übersetzung beeinflussen und somit die gesamte
Bedeutung des Gedichts verändern.
Dann machte Berlinghof darauf aufmerksam, dass durch Bedeutungs- und
Lautverschiebungen über die Jahrhunderte manche Gedichte gar nicht
mehr im Original überliefert werden könnten. In diese
gewollte sprachliche Ungenauigkeit passen hervorragend die
philosophischen Grundgedanken des Taoismus, wonach alles Sichtbare und
Erfahrbare verbal nur angedeutet, aber nicht beschrieben werden
könne, oder wie Berlinghof** es ausdrückte: „Die Worte haben
ein Ende, aber der Gedanke bleibt unausgeschöpft“. Die
Zuhörer erfuhren auch, dass sich die vom Adel unterdrückten
Menschen früher Luft gemacht haben mittels so genannter
Volkslieder, indem sie sich in symbolhafter Sprache gegen ihre
Unterdrücker auflehnten. Kurzum: Die Lesung hat hervorragende
Eindrücke der chinesischen Lyrik übermittelt, so dass bei
vielen Zuhörern die Lust auf mehr geweckt wurde.
Anm. R. Berlinghof
* es ist das 8. Jh.
** es ist ein Zitat von Yän Yü (um 1200) nach
Günther Debon: "So der Westen - wie der Osten"

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