|
aus: Die
stillen Inseln (erschienen Berlin, 1898) |
Halle - Sylt (1896) |
|
|
Auf eine Tote
Ich sah dich vor der Laube stehen,
Den bunten Sommerhut am Arme,
Die großen Augen träumend offen,
Die Hand aufs laute Herz gedrückt.
Ein Kuckuck fing aus fernen Wäldern
Zu rufen an. Du zähltest bange.
Er rief das erste Mal im Jahre.
Kuckuck. Dreimal. Der Vogel schwieg.
Da bissest du den Mund zusammen,
Da wurden deine jungen Wangen
Wie Asche bleich. Nur auf der Mitte
Die beiden roten Tupfen blieben.
Am Grabe Storms
Auf Husum lagen Nebel dicht und schwer,
Am Hafen sah man kaum die Halligsegel.
Die Luft war voll von Rufen grauer Vögel,
Und hinterm Deiche regte sich das Meer.
Ich trat an eine steinern kahle Gruft,
Hart an der Straße, wo die Kinder spielen.
Die Linden, deren Blüten schon entfielen,
Verstreuten ihren letzten Duft.
Kein Kreuz. Kein Wort. Der Platz ist schwer zu finden.
Kein Efeu, der sich um den Marmor flicht.
Kein Sonnenstrahl, der durch die Zweige bricht.
So kalt. So öde. Grausam – wäre nicht
Das Spiel der Kinder und der Duft der Linden.
Das Ende
Dann aber
Wurden wir plötzlich stumm.
Wir wagten nicht
Den Blick zu heben
Und lösten uns
Und schritten wortlos
Jeder in seine Nacht hinaus.
Wir wandten uns
Nicht nacheinander.
Wir wußten,
Daß es zu Ende sei.
Und waren beide
Zufrieden.
Trüber Himmel
Wetterwolken. Ewig. Finster. Grau.
Nicht das schmalste Stückchen Himmelsblau.
Nicht ein einziger froher Farbenton,
Und so geht es nun seit Wochen schon.
Großer Gott, erhöre unser Flehn.
Deine Menschen wollen Sonne sehn.
Wetterwolken. Ewig.
Finster. Grau.
Ach, wann wird mein Himmel wieder blau?
Das Tal des Friedens
Im Tal des Friedens schlummert Vergessenheit.
Da ist es still. Das Laster und aller Schmerz
Sind stumm in seinen tiefen Gründen,
Und das
Verlangen ist fern dem Tale.
Im Tal des Friedens atmet der reiche Duft
Der blauen Blume, die unsre Sehnsucht ist.
Sie blüht nur dort. Auf
heiligen Fluren
Hinter den Bergen der Lust und Reue.
Wo liegt das Tal? Weit, weit unter goldnem Stern.
Ich suchte lange, suchte mich müd und matt.
Ich bin nach Nord und Süd
gezogen –
Aber
ich konnte das Tal nicht finden.
|
Halle - Italien - Genf
(1897)
|
|
|
Sieh die Wälder
Sieh, die Wälder dunkeln schon,
Und es blühn die ersten Sterne.
Aus des Tales tiefster Ferne
Sind die Nebel fortgeflohn.
Komm und laß uns heimwärts gehn,
Und indes wir lautlos schreiten,
Sich die Himmel glänzend weiten,
Lernen wir die Nacht verstehn.
Strandlied
Feuertrunken sind die Wasser,
Nun versinkt der Sonnenball.
Meine Dünen werden blasser,
Und die Luft ist wie Kristall.
Über die erregten Flächen
Kommt ein weicher Westerwind.
Oh das wird ein heimlich Sprechen,
Wo die stillen Gräser sind.
Und es flammen alle Lande,
Und es sinkt des Tages Braus.
Von dem Strande, von dem Strande
Gehen wehe Stimmen aus.
Käthe
Die Augen schimmern,
Es schimmern die Wangen.
In allen Zimmern
Ist angegangen
Des Festes Verworrenheit.
Bist du bereit?
Komm – wir stehlen uns fort
An einen heimlichen Ort.
Laß lärmen die Andern
Bei Tänzen und Wein –
Wir Beide wandern
In den Himmel hinein . . .
Morgen auf Sylt
Eine rote Riesenkirsche
Stieg die Sonne aus dem Meer.
Dämmer deckte noch de Lande.
Stand auf meinem stillen Strande,
Letzte Nebel um mich her.
Eine trübe Kupferscheibe
Wanderte das Licht hinan.
Heimlich ward die Flut beschienen,
Und die Gräser an de Dünen
Fingen sanft zu glühen an.
Flog der erste Strahl hernieder,
Heller ward der Wellentanz.
Und noch keine kurze Stunde,
Und die ganze Morgenrunde
Lag in Glück und Sommerglanz.
Nach dem Fest
Wir haben gesungen und viel gelacht,
Dann sind wir still nach Haus gegangen.
Die Andern wünschten sich Gute Nacht,
Für sie war Feuer und Lust vollbracht –
Wir hatten noch gar nicht angefangen.
|
|
|
|
Wir wehen . . .
Wir wehen durch die Lüfte,
Grau wie Regen weht,
Zart wie Düfte der Blumen,
Bang wie der Flöte Lied.
Wehen mt Eile, sinken
Nieder in einem Feld,
Abend hüllt kühl uns ein,
Nacht ist so märchenschön.
Manche erheben wieder
Ihre Flügel, wehen
Weiter, düstere Wolken
Oder Gerüche der Flur.
Andere bleiben liegen
In den Hainen und Gärten,
Werden Erde und Halme,
Spielend im Fürhlingshauch.
Hörst du ein Seufzen am Abend?
Und ein Lachen im Wind.
Wer da wehte vorüber
Ach – und wohin? wohin?
Träumerei
Du anmutsvolles, zartes, rätselhaftes
Zerbrechliches, vom Mond geküßtes Kind:
Den Arm um deinen Nacken legen, mit dir
Den Hang hinauf, vorbei an Rosenhecken,
Dein Haar auflösen, wortlos-holdes Spiel,
Dich rückwärts biegen, stumm den Blick eintauchen
In deinen Blick, darin der Vollmond schimmert,
Dein Zittern fühlen, deines Herzens Angst,
Und deine Angst besiegen . . . Träume!
Träume!
Der Tag ist fahl, die Rosen sind verdorrt,
Glänzt es nicht silbern schon in meinem Haar?
Ungewiß
Aufschwung? Vielleicht! Vielleicht auch Niedergang,
Heimkehr zur Schwärmerei; vielleicht auch nur
Ein Schlendern, Tasten, Hingehn durch den Tau
Des Morgens, dem kein Tag folgt. Sichres kündet
Kein Traum – und das ist herrlich, liebes Herz!
Wandlung
Da ich einst jung war und wie Himmelsblau
Sehnsüchtig und durchsonnt, hab ich der Tage
Des Alters mit verzagtem Sinn gedacht.
Jetzt, die späten Tage nahe sind,
Da dieses Leben hinstob wie ein Sturm,
Der mich zerzaust hat, aber nicht gefällt,
Fühl ich so zauberisch die Firnenluft
Des Abends vor mir leuchten, daß ich fast
Voll Ungeduld die Schritte vorwärts tu,
Erwartungsvoll, ohn Trauer, hellen Augs,
Erfüllt von dem Begehren, lange, lange
Im ätherklaren Abendlicht zu stehn.
Ein Mädchen
So rührend schön war ihr
Profil. Sie war gemein.
Sie hauchte Zoten mit
Dem unschuldigsten Mund.
Sie lachte engelhaft
Und mild. Jedoch sobald
Sie sprach, erkannte man,
Daß mit Unrat gefüllt
Die junge Seele war.
Es war betörend schön,
Wenn sie die Hand erhob
Zur Stirn. Dann sah man wohl,
Daß sie imstand war, so
Hingebend und so sanft
Zu lieben, daß sie wie
Ein Liebesengel. war.
|
|
|
|